Mehr als nur Kuscheln

„Achtsamkeit bedeutet, dass wir ganz bei unserem Tun verweilen,
ohne uns ablenken zu lassen.“
Dalai Lama (Tenzin Gyatso, *1935)

Die Körperkontaktparty

Persönlicher Erlebnisbericht von Werner: „An einem der in Berlin üblichen Kuschelgruppenabende muss man mal teilgenommen haben, sonst kann man ja gar nicht mitreden. Also machte ich mich auf den Weg ins Kuschelabenteuer. Mich haben dabei leider zwei Dinge gestört: Zum einen die gefühlt mehr als halbstündige Erklärung von Regeln, was erlaubt ist und was nicht („Was ist eine Bikinizone?“), sowie deren Überwachung von außen durch Assistenten, die dann aber im Ernstfall doch nichts mitkriegen. (Mindestens ein Regelbruch blieb offenbar unbemerkt: Eine Frau, von der ich mich abwenden wollte, hat mich gewaltsam festgehalten. Ich war minutenlang wie gelähmt!) Und zum zweiten, dass außerhalb der streng regulierten Kuschelzeit kaum jemand mit den anderen Teilnehmenden auch verbal in Kontakt getreten ist — praktisch alle sind anschließend wortlos und allein nach Hause gegangen. Für mich war es befremdlich, mit Menschen, mit denen ich gerade noch gekuschelt hatte, verbal kaum kommunizieren zu können. Körperliche Nähe ohne menschliche Nähe hat manchmal einen komischen Beigeschmack.
Da dachte ich, also das geht doch auch besser. Und ein paar Wochen später kam etwas Neues dabei heraus: die Körperkontaktparty.

„Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“
Helmut Kohl (1930-2017)

Die erste Körperkontaktparty liegt schon ein paar Jahre zurück und war ein voller Erfolg. Veranstaltet von Regina und mir. Die Grundidee war und ist: 1. Menschen einzuladen, die Erfahrung mit Gemeinschaft und Achtsamkeit haben, 2. einen Rahmen zu bieten, in dem bereits vor dem Körperkontakt-Teil miteinander geredet wird (im Idealfall mit Getränk und was zu essen), und 3. völlig ohne Regeln auszukommen, weil alle in der Lage sind, ihre eigenen Grenzen zu wahren und die der anderen zu respektieren.
Ein paar Tage vor Beginn der Party haben wir dann einen Fehler gemacht: Wir haben befürchtet, dass zehn Teilnehmende zu wenig wären und haben in einem bekannten Newsletter zusätzlich inseriert. In der Einladung stand, dass es nicht in erster Linie um Sex gehen sollte, sondern um ein wohltuendes Miteinander, dass aber natürlich nichts verboten sei, was alle direkt daran Beteiligten gern wollten. Von dort kamen drei Männer, die absolut nicht verstanden hatten, worum es uns ging: Die waren der Meinung, wir hätten für jeden von ihnen eine Frau vor Ort, die nichts anderes will, als gefickt zu werden. Als sich herausstellte, dass wir nichtmal auf Geschlechterproporz geachtet hatten (und das war sehr gut so!), und es auch gar nicht ausschließlich um Sex ging, haben zwei der drei den Ort der Veranstaltung sofort wieder verlassen, der dritte wollte sich auf einen Versuch einlassen, hielt aber kaum eine Stunde durch und ging dann auch vorzeitig nach Hause.
Danach waren nur Menschen dabei, die ich persönlich kannte, und zwar von der Polyparty, den PAN-Treffen oder dem Liebeskunst-Festival. Und sofort, in dem Moment als der junge Mann aus der Tür war, hatten wir schlagartig genau die Stimmung im Raum, die wir von Anfang an wollten. Auf der Körperkontaktparty passierten Dinge, die auf einer Kuschelparty nicht passieren: Reden, Essen, Trinken, Vertrautheit, Offenheit, Nacktheit, Zärtlichkeiten, und einige hatten auch Sex.
Es war ein unvergesslicher Sonntagnachmittag und -abend, der wieder einmal bestätigt hat, was Quintilian vor knapp zweitausend Jahren bereits wusste, nämlich dass manche Regeln mehr schaden als nützen, besonders wenn sie so einschränkend sind, dass man sie praktisch brechen muss. Doch bei uns war es ohne Regeln wunderschön. Babs, die ich mehrere Wochen später bei einer anderen Veranstaltung traf, sagte mir, sie sei noch lange danach „wie auf Wölkchen geschwebt…“
Außerdem haben wir gelernt, dass selbst eine vermeintlich noch so deutliche Formulierung in einer Einladung von Leuten, die man nicht persönlich kennt, interpretiert werden kann, wie man es selbst nicht für möglich halten würde. Durch was für eine Brille müssen diese Leute unsere Einladung gelesen haben…

„Fast überall sind Regeln minder wirksam als Erfahrungen.“
Quintilian (35-96)

Die Körperkontaktparty findet nur unregelmäßig statt. Wenn du an einer teilnehmen möchtest, schreib uns eine Mail. Stell dich kurz vor, sag uns, warum du dabeisein solltest (für die Männer unter euch: das geht am besten ohne Dickpics!) und hab am besten unseren Fragebogen schon ausgefüllt. Dann werden wir sehen, zu welcher Party wir dich einladen können, und bei Bedarf machen wir vorher noch ein Vorgespräch oder eine Beratung, welche Veranstaltung wie und mit wem am besten für dich geeignet ist.